(Teil 1)
20.10.2015 – Anruf eines sehr verunsicherten Anlegers, der mitteilt, sein Rechtsanwalt habe ihm gerade zur Klagerücknahme geraten, obwohl der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht vor der Tür steht. Seine Versicherung habe eine Deckungszusage für das Berufungsverfahren gegeben, obwohl die erste Instanz verloren wurde. Er wisse nun gar nicht mehr, woran er überhaupt sei. Schon das bisherige Verfahren habe ihn zwei Jahre lang reichlich Nerven gekostet.
Auf Nachfrage: Der Rechtsanwalt habe ihn auch nur telefonisch informiert. Dieser habe die Befürchtung, dass der seinerzeit gestellte Güteantrag die Verjährung nicht gehemmt habe, weil er den nunmehrigen Anforderungen des Bundesgerichtshofs nicht genüge. Die Klage werde deshalb wohl wegen Verjährung abgewiesen.
Was der Anleger nicht wusste und ihm auch noch nicht gesagt wurde, ist, dass ausgerechnet Mandanten dieser Kanzlei bzw. deren Vorgängerin von den Entscheidungen des III. Zivilsenates des Bundesgerichtshof betroffen sind. Dieser hatte vor wenigen Monaten in mehreren Entscheidungen die Anforderungen formuliert, die an einen Güteantrag zu stellen sind, der die Verjährung von Ansprüchen hemmen soll.
Um es vorweg zu nehmen: Der Maßstab, den der Bundesgerichtshof hier entwickelt hat, ist sehr streng. Unserer Meinung nach in manchen Punkten sogar zu streng. Allerdings finden wir uns in unserer Auffassung bestätigt, dass nur eine möglichst vollständige und detaillierte Darstellung von Ablauf und Inhalt einer Beratung umfassend die Hemmung der Verjährung bewirken kann. Ohnehin waren Rechtsanwälte immer schon dazu verpflichtet, ihren Mandanten den sichersten Weg zu empfehlen.
Klagerücknahme kann Anspruch auf Schadenersatz gegen Anwalt gefährden
Ausgerechnet eine Klage- oder Berufungsrücknahme kann sich jedoch als sehr problematisch erweisen. Vor allem dann, wenn der Mandant und Kläger sich zumindest die Chance erhalten will, im Falle des verlorenen Prozesses Schadensersatz gegen seinen Anwalt wegen fehlerhafter Mandatsbearbeitung geltend zu machen. Durch die Rücknahme wird vor allem verhindert, dass sich – etwa im Beispielsfall – das Berufungsgericht eingehend mit dem angeblich fehlerhaften Güteantrag beschäftigt und seine Entscheidung, warum der Güteantrag unzureichend formuliert war, begründet. Insbesondere wenn das erstinstanzliche Urteil sich mit den Anforderungen an einen Güteantrag noch gar nicht beschäftigt hat, bleibt die entscheidende Frage für einen Anwaltshaftungsprozess offen. Eine Rücknahme der Berufung verschiebt dann die die Erfolgsaussichten eines späteren Regresses ganz klar zu Ungunsten des geschädigten Mandanten. Da hilft es eben überhaupt nicht, dass Rechtsanwälte eigentlich von sich aus auf Fehler hinweisen sollen, die ihnen unterlaufen sind.
Unsere Empfehlungen
Sollte es Ihnen auch so gehen, dass Sie plötzlich vom Prozess Abstand nehmen sollen, lautet unsere Empfehlung folgendermaßen:
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Fordern Sie von Ihrer Kanzlei eine schriftliche Äußerung, warum die Erfolgsaussichten nun nicht mehr vorhanden seien sollen und welche Gründe genau für eine Klagerücknahme sprechen. Lassen Sie sich nicht mit mündlichen Ausführungen abspeisen. Hat Ihre Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage für Klage oder Berufung erteilt, müssen Sie sich in der Regel auch wegen der Kosten keine Sorgen machen.
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Holen Sie möglichst die Meinung einer anderen, spezialisierten Kanzlei ein, ob der Güteantrag wirksam war und ob der Prozess weitergeführt werden sollte. Sicher kostet das zusätzlich Geld. Aber nicht so viel, dass es durch die Chance, sich einen Schadenersatzanspruch gegen Ihren derzeitigen Anwalt zu sichern, nicht aufgewogen würde.
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Überlegen Sie sich umgehend, ob Sie das nötige Vertrauen zu dem Rechtsanwalt und seiner fachlich fundierten Beratung und Vertretung noch aufbringen. Steht ein Gerichtstermin vor der Tür sollten Sie das sogar sehr schnell entscheiden. Gerade in der ersten und – mit Einschränkungen – auch noch in der zweiten Instanz können unter Umständen noch „Reparaturen“ vorgenommen werden. Mit Sicherheit ist das der bedeutendste Schritt, denn es bedarf neuen Vertrauens, das aufzubauen wegen der Enttäuschung und der kurzen Zeit schwierig ist. Außerdem werden Sie – mit oder ohne Rechtsschutzversicherung – genötigt, wenigstens die Verfahrensgebühr noch einmal zu zahlen.
Sollten Sie sich in einer derartigen Situation wie unser Anrufer befinden, kontaktieren Sie uns unverbindlich telefonisch.
Ihr Ansprechpartner
Mathias Nittel, Rechtsanwalt | Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
info@nittel.co