Einführung in die Beratungspflicht des Anwalts
Die Beratungspflichten des Anwalts über Erfolgsaussichten sind ein wesentlicher Bestandteil des Mandatsverhältnisses. Sie dient dazu, den Mandanten vor möglichen Schäden zu bewahren und ihm eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen. Der Anwalt ist verpflichtet, den ihm vorgetragenen Sachverhalt gründlich zu prüfen und zu beurteilen, ob dieser geeignet ist, den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Diese Prüfung erfordert nicht nur die Kenntnis der einschlägigen Rechtsnormen, sondern auch die Auswertung relevanter Rechtsprechung.
Die Rechtsberatung muss so gestaltet sein, dass der Mandant in der Lage ist, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Der Anwalt hat die Pflicht, den Mandanten über die Erfolgsaussichten und Risiken einer Klage umfassend aufzuklären. Beratungspflichten des Anwalts über Erfolgsaussichten stehen dabei im Mittelpunkt. Besonders das Prozessrisiko muss deutlich kommuniziert werden, da dies für die Entscheidungsfindung des Mandanten von zentraler Bedeutung ist. Verletzt der Anwalt diese Pflichten, ist er im Rahmen der Anwaltshaftung zum Schadenersatz verpflichtet.
Fehlende Risikoberatung und ihre Konsequenzen
Ein Beispiel für eine unzureichende Risikoberatung zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz vom 12. Juni 2006 (Az. 12 U 315/05). In diesem Fall hatte der Anwalt seinen Mandanten nicht ausreichend über die geringen Erfolgsaussichten einer Klage informiert. Die vom Anwalt vertretene Rechtsansicht war offensichtlich unrichtig und die Klage daher von Anfang an praktisch aussichtslos.
Das OLG Koblenz stellte fest, dass der Anwalt seinen Mandanten über diese nahezu vollständig fehlenden Erfolgsaussichten hätte aufklären müssen. Stattdessen hatte der Anwalt dem Mandanten fälschlicherweise Erfolgschancen zugesprochen. Dies stellte eine fahrlässige Verletzung der anwaltlichen Beratungspflicht dar und führte zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten gegen den Anwalt.
Regressansprüche im Fall verlorener Prozesse
Wenn ein Prozess verloren geht, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen, kann der Mandant Regressansprüche gegen den Anwalt geltend machen. Dabei muss der Mandant nachweisen, dass er das Prozessrisiko nur aufgrund einer fehlerhaften Einschätzung durch den Anwalt eingegangen ist.
Im Fall des OLG Koblenz war es besonders problematisch, dass die Anwälte ihren Standpunkt auch nach mehrfachen negativen Entscheidungen weiterhin als zutreffend ansahen. Dies trotz der Tatsache, dass das Ergebnis angesichts bereits ergangener BGH-Entscheidungen klar vorhersehbar war. Diese Rechtsprechung des BGH hatten die Anwälte ihrem Mandanten im Vorprozess nicht mitgeteilt. Das Versäumnis, den Mandanten über diese entscheidenden Urteile zu informieren, stellte einen erheblichen Beratungsfehler dar.
Anwaltliche Pflicht zur Aufklärung über Erfolgsaussichten
Der BGH hat klargestellt, dass eine Verpflichtung des Anwalts besteht, den Mandanten über die Erfolgsaussichten eines angestrebten Rechtsstreits zu beraten.
Vor dem Hintergrund der Beratungspflichten des Anwalts über Erfolgsaussichten muss dieser die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandanten umfassend prüfen und den Mandanten hierüber belehren. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken muss der Rechtsanwalt nicht nur benennen, sondern auch deren ungefähres Ausmaß abschätzen. Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen und darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 – IX ZR 125/10 )
Bedeutung der Dokumentation der Beratung
Ein wesentlicher Aspekt der anwaltlichen Beratungspflicht ist die Dokumentation der Beratungsgespräche. Der Anwalt sollte die wesentlichen Inhalte der Beratung schriftlich festhalten, um im Streitfall die erbrachte Leistung nachweisen zu können. Die Dokumentation dient nicht nur der Absicherung des Anwalts, sondern auch dem Schutz des Mandanten, der so eine klare Übersicht über die besprochenen Punkte erhält.
Der BGH hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass die Beweislast im Zweifel beim Anwalt liegt. Kann der Anwalt nicht nachweisen, dass er umfassend beraten hat, kann dies zu seiner Haftung führen. Eine klare und präzise Dokumentation der Beratung ist daher unerlässlich.
Beratungspflicht bei Prozesskostenrisiken
Ein weiterer Schwerpunkt der anwaltlichen Beratung liegt in der Aufklärung über die Prozesskostenrisiken. Der Anwalt muss den Mandanten zumindest auf Verlangen über die möglichen Kosten eines Verfahrens und die Risiken eines Unterliegens informieren. Dazu gehören sowohl die eigenen Kosten als auch die Kosten des Gegners.
Der BGH hat verdeutlicht, dass eine unzureichende Aufklärung über die Kostenrisiken zu einer Haftung des Anwalts führen kann. Der Mandant muss die finanziellen Konsequenzen eines Prozesses vollständig verstehen, bevor er sich entscheidet, den Rechtsweg zu beschreiten.
Beratungspflicht bei Vergleichsverhandlungen
Die Beratungspflicht des Anwalts ist besonders wichtig bei Vergleichsverhandlungen. Der Anwalt muss den Mandanten umfassend über die Vor- und Nachteile eines Vergleichs aufklären. Dies schließt sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Aspekte ein. Der BGH hat betont, dass der Anwalt den Mandanten auch auf die Endgültigkeit eines Vergleichs hinweisen muss. Ein Vergleich beendet den Rechtsstreit und schließt weitere Ansprüche aus.
Fazit: Hohe Anforderungen an die anwaltliche Beratung
Die Beratungspflichten des Anwalts über Erfolgsaussichten der Prozessführung sind von zentraler Bedeutung für die Mandantenentscheidung. Der Anwalt muss den Mandanten umfassend und realistisch über die Chancen und Risiken eines Prozesses informieren. Die aktuelle Rechtsprechung des BGH stellt hohe Anforderungen an die Beratung, insbesondere bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten und der Aufklärung über Kostenrisiken.
Eine unzureichende Beratung kann erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Mandanten und Haftungsansprüche gegen den Anwalt zur Folge haben. Der Anwalt muss nicht nur die rechtlichen Erfolgsaussichten, sondern auch die wirtschaftlichen und strategischen Aspekte eines Prozesses sorgfältig abwägen und den Mandanten entsprechend beraten. Eine gründliche Dokumentation der Beratung ist entscheidend, um spätere Missverständnisse oder Haftungsfragen zu vermeiden.
Die Rechtsprechung zeigt, dass die anwaltliche Beratung umfassend, transparent und an den individuellen Bedürfnissen des Mandanten orientiert sein muss. Nur so kann der Anwalt seiner Verantwortung gerecht werden und das Vertrauen des Mandanten in die anwaltliche Beratung sicherstellen