Für einen spezialisierten Anwalt ist es unerlässlich, stets über die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung informiert zu sein. Das Oberlandesgericht (OLG) Jena hat in einem richtungsweisenden Urteil vom 26. Januar 2024 (Az. 9 U 364/18) klargestellt, dass Anwälte, die ihre Mandanten nicht über Änderungen in der Rechtsprechung informieren, haftbar gemacht werden können. Besonders wichtig ist dabei die Kenntnis der online verfügbaren Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs (BGH).
Hintergrund des Falls
Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen Anwaltshaftungsprozess im Rahmen eines Kapitalanlageverfahrens. Der Anwalt hatte es versäumt, seinen Mandanten über ein Grundsatzurteil des BGH vom 18. Juni 2015 zu informieren, das das ursprüngliche Begehren aussichtslos gemacht hatte. Bis zur mündlichen Verhandlung im Jahr 2016 hatte er seinem Mandanten nicht zur Klagerücknahme geraten, obwohl mehrere BGH-Entscheidungen die Erfolgsaussichten des Verfahrens erheblich minderten.
OLG Jena: Verpflichtung zur aktuellen Information
Das OLG Jena betonte, dass spezialisierte Anwälte die Leitsatzentscheidungen ihres Tätigkeitsbereichs zeitnah zur Kenntnis nehmen müssen. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der die Digitalisierung rapide voranschreitet. Anwälte müssen sich daher nicht nur auf amtliche Sammlungen und Fachzeitschriften verlassen, sondern auch die BGH-Datenbank regelmäßig durchsuchen.
Karenzzeit für die Kenntnisnahme
Die Richter wiesen darauf hin, dass es eine Karenzzeit von etwa vier bis sechs Wochen gibt, in der Anwälte neue Rechtsprechung erfassen sollten. Im konkreten Fall hätte der Anwalt spätestens Ende Juli 2015, also rund sechs Wochen nach dem Urteil, die Entscheidung kennen müssen. Eine Verlängerung dieser Frist kann in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, wenn die Bedeutung der Urteile analysiert werden muss.
Auswirkung auf die Anwaltshaftung
Das Urteil des OLG Jena verdeutlicht, dass die Pflicht zur Kenntnis aktueller höchstrichterlicher Entscheidungen ein wesentlicher Bestandteil der anwaltlichen Sorgfaltspflicht ist. Anwälte, die diese Pflicht vernachlässigen, riskieren haftungsrechtliche Konsequenzen. Besonders in spezialisierten Rechtsgebieten ist es unerlässlich, ständig „up to date“ zu bleiben und Mandanten rechtzeitig über relevante Änderungen zu informieren.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Jena ist ein klares Signal an alle spezialisierten Anwälte: Die Kenntnis der BGH-Datenbank und die zeitnahe Information der Mandanten über Rechtsprechungsänderungen sind unerlässlich. Anderenfalls besteht das Risiko der Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflicht und der Anwaltshaftung.